„Zur Nacht“ lautete die Überschrift unseres diesjährigen cantiamo-Frühjahrskonzerts. Ein Titel, der viel versprechen, aber zunächst wenig verraten sollte. Die Nacht – seit jeher ist sie ein beliebtes Motiv in allen Bereichen der Kunst. Sie übt eine unerklärliche Faszination auf uns aus, sie birgt Geheimnisse, zeigt uns die Grenzen unserer Wahrnehmung auf und kann gleichermaßen erschreckend wie bezaubernd wirken. Wir wollten uns diesem facettenreichen Motiv musikalisch nähern und unseren Zuhörern die Vielfalt von Kompositionen, die sich in den unterschiedlichsten Spielformen mit der Nacht befassen, vor Augen bzw. vor Ohren führen. Wie immer bei unseren Konzerten entstand dabei ein abwechslungsreicher Mix verschiedener Genres, Epochen, Stile und Sprachen, der das Publikum während des knapp einstündigen Konzerts begeisterte und zugleich herausforderte.
Die ersten Stücke hatten den Abend zum Thema. „Evening rise, spirit come“, so hieß es in dem ersten Stück, das als sich aufbauender sechsstimmiger Satz, gesungen aus allen Ecken der umlaufenden Empore des Jakobushauses, ein wahrlich polyphones Klangerlebnis für unser Publikum bot. Mit „Soir d’octobre“ (André Ducret), Muusika (Pärt Uusberg), dem „Abendlied“ (Josef Rheinberger) und der „Nachtwache II“ (Text: Friedrich Rückert, Musik: Johannes Brahms) nahmen wir das Publikum in einem eher meditativen ersten Block mit in die klangliche Welt des abendlichen Übergangszustandes, in dem die laute aufgeregte Welt des Tages langsam zur Ruhe kommt und in die Stille der Nacht übergeht.
Immer leiser wurden die Töne mit dem Fortschreiten der Nacht. Unsere beiden „Mondlieder“, wie sie bei den Proben gerne genannt wurden, „Verstohlen geht der Mond auf“, vertont von Hermann Schröder, und „Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudias in dem schlichten Satz von Josef Michel markierten dann schließlich das Ende des abendlichen Zustandes und das endgültige Hereinbrechen der Nacht. Höhepunkt dieses Blocks war das Stück „Sleep“ des zeitgenössischen amerikanischen Komponisten Eric Whitacre. Ein phantastischer Titel, der auf unheimlich eindrückliche Weise den Übergang vom Wachsein in den Schlaf klanglich umsetzt.
In der Stille der Nacht kommt der Mensch nun zur Ruhe und legt sich nieder, um Schlaf zu finden. Der Titel „If“ von Winnie Brückner handelte von diesen Momenten vor dem Einschlafen, in denen wir unsere Gedanken ordnen, Fragen stellen und an unsere geliebten Menschen denken.
Als besonderes Schmankerl folgte eines der bekanntesten Schlaflieder in deutscher Sprache: „Lalelu, nur der Mann im Mond schaut zu“ von Heino Gaze. Seit der Titel Mitte der 50er Jahre durch Heinz Rühmann berühmt geworden ist, kennen Generationen von Menschen diese Zeilen. Wir haben sie gesungen in einem Satz von Carsten Gerlitz und uns dabei einen Hauch Parodie erlaubt.
Dann wollten wir unbedingt noch eine weitere Facette der Nacht einbringen. Wir sangen „Moondance“ von Van Morrison, eigens arrangiert von unserem Tenor Ulli. „It’s a marvellous night for a moondance – a fantabulous night to make romance…“ Die bisher erzeugte Ruhe sollte damit durchbrochen werden, denn die Nacht ist ja auch nicht immer nur ruhig und still. Der mit einer Prise Country-Rock gewürzte Rythm&Blues-Stil der Komposition war dazu gut geeignet.
Mit den beiden letzten Stücken brachten wir die Nacht zum Abschluss und sangen zunächst „My Lord what a morning“. Ein Spiritual, das die Schönheit des heraufziehenden Morgens und den Wunsch der Loslösung von allen irdischen Sorgen zum Thema hat.
Unser Schlussstück, ein rhythmisch raffiniertes Arrangement von Jonathan Willcocks, handelte ebenfalls vom Morgen, allerdings eher von den sehr speziellen Fragen, die eine Schiffbesatzung sich nach einer durchzechten Nacht stellt, wenn der betrunkene Matrose einfach nicht aufwachen will: „What shall we do with the drunken sailor early in the morning?“
Unser begeistertes Publikum wollte als Zugabe noch einmal „Moondance“ – ein Wunsch, den wir gerne erfüllt haben.
veröffentlicht am 9. Mai 2018